BueDeKa und die Frage nach der optimalen Bürgerbeteiligung

Sebastian Cacean, Leiter der Begleitforschung beim Bürgerdelphi, gibt einen Einblick in das Wie und Warum der Evaluation. Fragen: Theresa Jentsch

Warum ist die wissenschaftliche Evaluation von Bürgerbeteiligungen wichtig?

Der Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern an politischen Entscheidungsprozessen spielt in demokratischen Gesellschaften eine wichtige Rolle. Damit gibt der Staat seinen Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit, sich aktiv an der politischen Willensbildung zu beteiligen. Bürgerbeteiligung soll dabei helfen, die Akzeptanz politischer Entscheidungen in der Bevölkerung zu erhöhen. Darüber hinaus soll der Einbezug möglichst vieler diverser Ansichten und Standpunkte zu möglichst guten Entscheidungen führen, oder zumindest zu Entscheidungen, die möglichst gut begründet sind. Die Hoffnung ist also, dass Bürgerinnen und Bürger einen relevanten Input für die Entscheidungsfindung liefern.

Ob diese Ziele erreicht werden, hängt maßgeblich davon ab, wie genau Bürgerbeteiligungsprozesse gestaltet werden. Es muss unter anderem überlegt werden, wer einbezogen wird, über welchen Zeitraum und in welcher Intensität die Beteiligung durchgeführt wird, wie und was man kommuniziert und welche Gestaltungsmöglichkeiten man den Teilnehmenden gibt. Die zentrale Frage der Partizipationsforschung lautet damit: Welche Beteiligungsformate sind geeignet, um die intendierten Ziele einer Bürgerbeteiligung zu erreichen? Die Partizipationsforschung fragt also nach Gelingensbedingungen. Weil es sehr viele Möglichkeiten gibt, Bürgerbeteiligungen zu gestalten und die Beantwortung der Ausgangsfrage von den spezifischen Zielen abhängt, ist es wichtig, solche Fragen systematisch und mit wissenschaftlichen Methoden anzugehen. Die Erkenntnisse einer solchen Forschung können genutzt werden, um zukünftige Beteiligungen nach ihnen auszurichten.

Was folgt daraus für die Evaluation eines konkreten Projekts wie BueDeKa?

Die evaluierende Begleitforschung soll in erster Linie untersuchen, ob die spezifischen Ziele des Bürgerdelphis erreicht werden. Ein wichtiges Ziel des Bürgerdelphis ist, die Teilnehmenden in ihrer Meinungsbildung und dem Meinungsaustausch zu unterstützen. Die besondere Herausforderung besteht dabei darin, dass die  Teilnehmenden mit einem sehr fachspezifischen Thema konfrontiert werden, das im Alltag der meisten keine praktische Relevanz hat. Im Laufe des Prozesses sollen sie sich über das Thema informieren und ihre persönlichen Meinungen untereinander austauschen und weiter entwickeln. Die Begleitforschung soll herausfinden, wie gut das gelingt. Dazu erfassen wir, ob und inwiefern sich die Meinungen und Ansichten der Teilnehmenden über den Prozesszeitraum hinweg verändern.

Neben dieser Meinungserhebung wollen wir außerdem überprüfen, ob das Bürgerdelphi anerkannten Gütekriterien von Partizipation gerecht wird. Beteiligungsprozesse sollten möglichst transparent und fair sein, den Teilnehmenden genügend Gestaltungs- und Entfaltungsraum bieten, hinreichend viele Informationen anbieten und sinnvoll organisiert sein. Der beste Maßstab für diese Kriterien stellt die Perspektive der Teilnehmenden selbst dar. Daher wollen wir mit strukturierten Evaluationsfragebögen erfassen, wie zufrieden die Teilnehmenden sind und was sie vom Prozess selbst halten.

Welche Methoden nutzen Sie in der Begleitforschung?

Die Erhebung der persönlichen Eindrücke der Teilnehmenden zum Prozess selbst führen wir mit standardisierten Fragebögen durch. Dadurch wird vor allem der Zeitaufwand für die Teilnehmenden gering gehalten.

Um herauszufinden, ob das Bürgerdelphi den Teilnehmenden hilft, sich über die Gründe und Einwände ihrer eigenen Meinungen Klarheit zu verschaffen, verwenden wir für die Meinungserhebung offene Fragen. Die Auswertung dieser Fragebögen ist wesentlich aufwendiger als die Auswertung standardisierter Fragebögen. So werden die einzelnen Antworten im Detail mit inhaltsanalytischen Methoden untersucht, um die formulierten Meinungen und Begründungen zu identifizieren. Der Aufwand lohnt sich allerdings, da die offenen Fragen den Teilnehmenden ermöglichen, ihre Positionen frei und ausführlich darzulegen. Da wir untersuchen wollen, wie sich die Positionen über den Zeitraum des Bürgerdelphis verändern, wird der Fragebogen zu drei unterschiedlichen Zeitpunkten beantwortet – zum Anfang des Prozesses, zum Ende der Diskussionsphase und zeitnah der Abschlussveranstaltung.

Welche vergleichbaren Forschungsprojekte zur Evaluation von Beteiligungsverfahren gibt es schon?

Die in der Begleitforschung verwendeten Methoden sind vergleichbar mit Ansätzen aus der Politikwissenschaft. So hat beispielsweise ein Team um den Politologen André Bächtiger von der Universität Stuttgart einen Index konzipiert, mit dem man Debatten und Meinungsaustausch im Allgemeinen analysieren kann. Die zugrunde gelegte inhaltsanalytische Methode wurde beispielsweise bei der Untersuchung von Parlamentsdebatten verwendet, um herauszufinden, welche Gründe für Meinungen vorgebracht worden sind, ob der Meinungsaustausch gerecht und respektvoll vonstatten ging und wie hoch der Grad der Involviertheit der Teilnehmenden war. Im Bürgerdelphi verwenden wir eine ähnliche Methode, um die erhobenen Meinungen der Teilnehmenden zu analysieren.

Wie weit sind Sie gerade mit der Begleitforschung?

Vor Beginn der eigentlichen Beteiligungsphase haben wir die Begleitforschung konzeptioniert, uns also überlegt, was genau wir untersuchen wollen und welche Methoden wir dafür verwenden sollten. Momentan befinden wir uns, nach der Auftaktveranstaltung Ende April, in der Phase der inhaltlichen Diskussion zum Thema Keimbahntherapie. Die erste Welle der Meinungserhebung haben wir durchgeführt. Aktuell werten wir den Rücklauf aus.

Was erwarten Sie sich von dem Projekt?

Das Bürgerdelphi ist in vielerlei Hinsicht ein Novum. Nicht nur der Prozess selbst, sondern auch die Methoden der Begleitforschung folgen neuen Wegen. Das alles bietet eine Fülle an Überraschungen und die Möglichkeit neuer Erkenntnisse.